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Freundinnen für die Ewigkeit

Das Sgraffito von Julia und Petronia erzählt
nach einem Interview mit Kurator Dominik Heher
Objekt Kinderzeichnung aus der Römerzeit auf einem farbigen grafisch aufbereiteten Hintergrund.
Mich gibt es seit der Römerzeit. Ich bin ein Relikt der Antike.
Sgraffito von Julia & Petronia

Zwei junge Mädchen haben mich auf einen Ziegelstein geritzt – Julia und Petronia. Ich erzähle von einer Freundschaft, die vor langer Zeit geschlossen wurde. Und von dem Wunsch, dieser Ausdruck zu verleihen. 

Julia und Petronia waren noch Kinder, als sie mich im 4. Jahrhundert nach Christus auf eine Ziegelmauer kritzelten. Heute würde man vielleicht Graffiti zu mir sagen. Ich stehe für die Aneignung von Fertigkeiten. Für Kreativität und die Fähigkeit, die Welt zu erfassen und auf eigene Weise wiederzugeben. Ihr könnt mich in Raum 5 besuchen. Dort findet ihr noch weitere Objekte, die verschiedenen Entwicklungsstufen von Kindern zugeordnet werden können. 

Eine Alltagsbeschäftigung

Meine eigentliche Heimat ist das Landesmuseum Burgenland. Im Burgenland wurde ich auch entdeckt. Für die neue Ausstellung haben mich die Ausstellungsmacher der Schallaburg nach Niederösterreich geholt. Damit ich als Zeitzeuge von meiner Geschichte erzählen kann. Eine Zeichnung, wie ich eine bin, entstand meist im Alltag. In meinem Fall war das der Alltag im Römischen Reich. Es existierte bis etwa 480 nach Christus. Zu dieser Zeit lebten auch Julia und Pretoria, meine Schöpferinnen. 

Was könnt ihr erkennen?

Schenkt mir einen genauen Blick. Was seht ihr?

  • Linien, die meine Erschafferinnen in den Ziegel geritzt haben.
  • Zwei Mädchen, die sich an den Händen halten und in die Welt hinausblicken.
  • Zwei Namen, die über den Köpfen der Mädchen stehen: Petronia und Julia. 

Ziegelsteine werden aus Ton oder Lehm gebrannt. Ihre harte Struktur hat ermöglicht, dass die Zeichnung von Julia und Petronia die Zeiten überdauert hat. Forscher vermuten, dass die beiden bei ihrem Kunstwerk etwas Hilfe hatten. Die Namen, die über die Köpfe der gezeichneten Mädchen gesetzt wurden, haben vermutlich Erwachsene hinzugefügt, oder ältere Kinder.

Ziegel und Papier

Fällt euch noch etwas an mir auf? Die Art und Weise, wie Julia und Petronia sich selbst wahrnehmen und zeichnen, könnte auch von heute sein. Nur, dass Kinder von heute ihre Kunst nicht mehr in Ziegelsteine ritzen. Sie bringen ihre Gedanken und Träume zu Papier. Vielleicht nehmen sie ein Video auf. Auch Graffiti ist eine Art und Weise, sich künstlerisch auszudrücken. Und zu meiner Zeit? Da nahmen die Kinder auch das, was sich ihnen gerade bot. Wie ein Ziegelstein. 

Damals wie heute

Also zeichneten Kinder der Römerzeit ähnlich wie Kinder der Gegenwart. Woran liegt das, was denkt ihr? Vieles hat damit zu tun, wie sich das menschliche Gehirn entwickelt. Die verschiedenen Entwicklungsphasen sind bei Menschen über die Zeiten hinweg sehr ähnlich. Wie alt Julia und Petronia waren, als sie sich auf dem Ziegelstein verewigten, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich aber ist, dass sie zwischen vier und sechs Jahre alt waren. Forscher sagen, dass Kinder der Gegenwart in diesem Alter ähnliche Bilder zeichnen würden. 

Fremd und doch vertraut

Julia und Pretoria sind schon lange fort. Mit mir hinterließen sie ein Stück ihrer Geschichte für die Nachwelt. Ich habe bereits Jahrtausende überdauert. Ein Überbleibsel aus einer längst vergangenen Zeit. Fremd und doch vertraut. 

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