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Echt kaiserlich, dieser Zahn

Der Milchzahn von Kaiserin Sisi erzählt
nach einem Interview mit Kurator Dominik Heher
Objekt Zahn mit goldener Schatulle auf brauner, runder Decke. Das Objekt ist freigestellt auf einem grafisch aufbereiteten Hintergrund platziert.
Ich bestehe aus organischem Material. Mich haben nur Kinder. Und nach wenigen Jahren falle ich aus.
Milchzahn von Kaiserin Sisi

Ich bin ein Milchzahn! Genauer gesagt: Ich bin der erste Zahn eines kleinen Mädchens, das heute als Kaiserin Elisabeth von Österreich bekannt ist. 

Ihr findet mich in Raum 5, gleich neben einem goldenen Anhänger mit drei Milchzähnen. Dieser Raum ist der Entwicklung von Kindern gewidmet. Ich freue mich sehr, Teil der Ausstellung „Kind sein“ auf der Schallaburg zu sein. Denn als Museumsobjekt bin ich auch Zeuge von Geschichte. Und meine Geschichte, die möchte ich euch erzählen. Sie beginnt nicht in den herrschaftlichen Palästen von Wien, sondern in der bayerischen Landeshauptstadt München. Dort wurde die spätere Kaiserin Sisi als Herzogin Elisabeth Amalie Eugenie von Wittelsbach geboren. Aber der Reihe nach. 

Welch ein Glück!

Als ich am 24. Dezember 1837 gemeinsam mit Elisabeth geboren wurde, war von Anfang an klar: Ich bin etwas Besonderes. Denn es ist äußerst selten, dass ein Baby mit einem Milchzahn auf die Welt kommt. Könnt ihr euch vorstellen, wie überrascht Familie und Ärzte waren, als sie mich gesehen haben? Es galt als Glückssymbol, wenn Babys bereits bei der Geburt einen Milchzahn hatten. Als Zeichen für große Dinge, die kommen sollten.

 

Der Zahn im Schächtelchen

Kein Wunder also, dass ich von Anfang an gehegt und gepflegt wurde. Man bewahrte mich sogar in einem extra angefertigten Messingbehälter auf! Obwohl man damals noch nicht ahnen konnte, dass Elisabeth später Kaiserin eines Weltreiches werden sollte. Schön verziert ist dieses kleine Schächtelchen, mit Schnörkeln und zarter Gravur. Im 19. Jahrhundert war es übrigens nicht üblich, einen Zahn wie mich zu behalten. Warum? Das hat unterschiedliche Gründe. Einer war, dass zur Zeit von Kaiserin Sisi noch viele Kinder in ihren ersten Lebensjahren starben. Die Kindersterblichkeit war damals sehr hoch, deshalb wurden Erinnerungsstücke nur selten aufbewahrt. 

Souvenir aus vergangenen Zeiten

Jahrelang diente ich für die junge Sisi als Andenken an ihre unbeschwerte Kindheit. Auch an den Hof nach Wien nahm sie mich mit. Dort war ich stiller Zeuge der Höhen und Tiefen ihres Lebens. Von der Krönung bis zu den großen Bällen. Vom Luxus am Hof bis hin zu ihren Reisen ins Ausland. Und nicht zuletzt war ich Zeuge der Rebellion gegen die ihr auferlegten Normen. Die Jahre vergingen, und auch nach dem Tod von Kaiserin Elisabeth wurde ich weiter aufbewahrt. Heute bin ich hier, in der Ausstellung „Kind sein" auf der Schallaburg! Die Ausstellung ist so konzipiert, dass sie sowohl Erwachsene als auch Kinder inspiriert, unterhält und Spaß macht. Ich fühle mich geehrt, ein Teil davon zu sein. Was für ein Glück, dass mich die Familie von Sisi aufbewahrt hat! Heute ist es üblich, besondere Erinnerungsstücke aus der Kindheit zu behalten. Erinnerungsboxen, auch „Memory Box“ genannt, werden mit Schätzen aus der Vergangenheit gefüllt. Ein Spielzeug, ein Bild, ein Stofftier oder eben ein Zahn – all das sind heute Erinnerungsstücke, die man heute gerne für die Nachwelt aufhebt. 

Mein Wert ist die Erinnerung

Was denkt ihr: Was wollen die Menschen konservieren, wenn sie solche Andenken aufbewahren? Ist es die Unschuld der Kindheit? Die Erinnerung an eine Zeit, als die Welt noch neu und aufregend war? Wollen wir damit einen Moment der Vergangenheit festhalten? Augenblicke, die nie mehr reproduziert werden können? Es berührt mich, dass diese Andenken wertgeschätzt werden. Selbst wenn es sich um ein winziges Ding wie mich handelt. Ich bin ein wertvolles Symbol gleichermaßen für die Kindheit und das Erwachsenwerden. 

Eine kleine Bitte

Vier Monate lang habt ihr die Möglichkeit, mich hier im Raum Nummer 5 zu besuchen. Diese Zeit auf der Schallaburg ist eine Einladung, sich zu erinnern. An eine Zeitspanne, die von Freude und Schmerz geprägt sein konnte. Von Unschuld und Wissensdurst. Und auch von den Herausforderungen des Heranwachsens. Zum Abschluss habe eine Bitte an euch. Ich wünsche mir, dass alle, die mich hier besuchen, etwas mitnehmen: das Gefühl des Staunens, Teil von etwas Größerem zu sein. Dass die Kindheit ein kostbarer und flüchtiger Teil des Lebens ist. Und dass wir alle etwas bewirken können, egal wie klein wir auch sein mögen.

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